Der Kollege Solmecke erklärt in einem vielbeachteten Video, dass der Download von urheberrechtlich geschützten Musikstücken über „music.163.com“ für den deutschen Nutzer seiner Ansicht nach völlig legal sei.
Darüber kann man ernsthaft streiten.
offensichtlich rechtswidrig?
Die Frage, die bei dieser Diskussion im Raume steht ist, ob der Download einer Musikdatei über music.163.com gem. § 53 UrhG von dem Recht auf Privatkopie abgedeckt ist. Dies ist dann nicht der Fall, soweit zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.
Wann liegt eine offensichtlich rechtswidrige Vorlage vor? Wie so oft, ist das natürlich umstritten. Bisher existiert zu diesem Begriff noch keine höchstrichterliche Definition, so dass man den Begriff auslegen muss.
Der Kollege Solmecke ist gemäß seinem Video (ab Minute 2.51) der Ansicht, dass eine offensichtliche Rechtswidrigkeit nur dann vorliegt, „wenn auch wirklich dem dümmsten User klar ist, dass er von dieser Seite nichts runterladen darf.“
Nach dieser Definition wäre ein Download von fragwürdigen Quellen praktisch nie illegal,
da es immer wieder Personen geben wird, denen das nicht klar sein dürfte.
Viele User-Fragen und Kommentare aus der Vergangenheit haben uns gezeigt, dass es tatsächlich viele Internet-User gibt, die dem Glauben unterliegen, dass Bilder, Filme und Musik, die einmal im Internet in irgendeiner Form veröffentlicht worden sind, im Anschluss nicht mehr urheberrechtlich geschützt seien.
Die etablierten Urheberrechtskommentare „Fromm / Nordemann“ und „Dreier / Schulze“ haben zu der Frage der offensichtlichen Rechtswidrigkeit eine etwas differenziertere Definition:
„Das Merkmal gilt als erfüllt, wenn ohne Schwierigkeiten erkennbar ist, dass die Vorlage rechtswidrig hergestellt wurde.“ (Fromm / Nordemann / Nordemann §53 Rn. 14 )
Dreier spricht davon, dass kein ernsthafter Zweifel bzw. kein vernünftiger Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorlage bestehen darf. (Dreier / Schulze / Dreier §53 Rn. 12)
Der Kollege Solmecke argumentiert damit, dass das Portal music.163.com in chinesischer Sprache gehalten ist und der Nutzer ja nicht wissen könne, ob es sich bei music.163.com vielleicht um das chinesische Spotify handeln würde, daher sei es für den deutschen User nicht klar erkennbar, dass über den Dienst offensichtlich rechtswidrige Vorlagen (Musikstücke) verbreitet werden.
Da bin ich anderer Meinung.
die dümmsten der Dummen?
Zunächst bin ich der Ansicht, dass bei dem Merkmal “offensichtliche Rechtswidrigkeit” nicht auf den allerdümmsten User abzustellen ist – das lässt sich so auch aus dem Gesetz nicht ablesen – sondern auf den klassischen Durchschnittsbürger.
Das Bild des flüchtigen Verbrauchers, der nichts weiß und dumm ist, hat der EuGH bereits vor Jahren aufgegeben und ist absolut veraltet. Man geht auf nationaler, europäischer als auch auf us-amerikanischer Ebene von einem verständigen Durchschnittsverbraucher aus, der informiert, aufmerksam und kritisch ist.
Warum ernsthafte Zweifel bestehen
Daneben sprechen einige Punkte dafür, dass man als User ernsthafte Zweifel / vernünftige Zweifel an der Legalität der Downloads über music.163.com hegen sollte.
- China ist nicht gerade dafür bekannt, dass es gegen Raubkopien vorgeht. Man bekommt eher das Gefühl, dass das Kopieren in China ein gängiges Wirtschaftsmodell ist. Das ist auch nicht nur Insidern bekannt.
- 163.com ist wie eine gängige Musik-Streaming-Download- Seite aufgebaut. Hier finden sich auch deutsche User, die nicht der chinesischen Sprache mächtig sind, wie im SemperVideo eindrucksvoll erklärt worden ist, problemlos zurecht.
- Sucheingaben können auch im lateinischen Alphabet, d.h. in deutscher oder englischer Sprache eingegeben werden. Die Ergebnisausgabe findet dann ebenfalls in deutscher oder englischer Sprache statt, wie der nachfolgende Screenshot zeigt.
- Man bekommt fast das komplette, weltweite Musik-Repertoire kostenfrei – alleine hierbei sollten alle Alarmglocken der User aufschrillen. In Deutschland existieren keine legalen Musikdienste, bei denen man das Mainstream-Standard-Repertoire kostenlos – d.h. ohne Premium-Mitgliedschaft oder bezahlten Einzeldownload – herunterladen kann. Mir ist zumindest kein Dienst bekannt. Ein Download von music.163.com lässt sich im Gegensatz zu Anbietern wie Spotify oder Google Music nicht nur in Verbindung mit der Anbieter-Software und einem gültigen Musik-Abo abspielen, sondern kann auf jeder x-beliebigen Festplatte gespeichert und mit jedem x-beliebigen MP3-Player unabhängig von einer Internetverbindung abgespielt werden. Mir ist bisher überhaupt kein Dienst bekannt, der diese Möglichkeit legal und kostenfrei anbietet, insbesondere in Bezug auf Mainstream-Musik. Die Musikindustrie hat weltweit nichts zu verschenken. Erst kürzlich hat bspw. der Weltstar Taylor Swift sehr medienwirksam ihr Repertoire von Spotify zurückgezogen, da sie der Ansicht war, dass sie über Spotify zu wenig verdienen würde. Warum sollte sie dann kostenfrei ihre Musik über music.163.com anbieten?
Dementsprechend müssen für den durchschnittlichen User ernsthafte Zweifel oder zumindest vernünftige Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Großteils der dort eingestellten Titel bestehen.
Ansonsten müsste ein illegales Download-Portal nur professionell genug aussehen, damit das Merkmal der offensichtlichen Rechtswidrigkeit nicht erfüllt ist.
Eine 100% sichere Antwort kann weder der Kollege Solmecke noch ich liefern, solange es dazu keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert. Ich persönlich sehe die Nutzung von music.163.com aus den oben genannten Gründen wesentlich problematischer und würde mich als User von music.163.com nicht in der trügerischen Sicherheit wiegen.
Würde mich ein Mandant oder eine Mutter fragen, ob ihr Sohn / Tochter über den Dienst music.163.com gefahrlos Musik herunterladen kann, wäre mein eindeutiger Rat – Finger weg!
Gefahr der Schadsoftware?
Daneben weist Lars Sobiraj von tarnkappe.info bei der Nutzung von music.163.com auch noch zurecht darauf hin, dass man sich nicht sicher sein kann, ob die Downloadsoftware von „Netease Music = music.163.com“ mit Schadsoftware verseucht ist.
Kann man wirklich erwischt werden?
Ob einen die deutschen Ermittlungsbehörden beim Download von Musikdateien über music.163.com tatsächlich erwischen können, steht – wie auch Lars richtig anmerkt –
„Fraglich ist dabei aber, wie man die Nutzer verfolgen will. Für eine simple Handhabung bräuchten die Ermittler Vollzugriff auf die Server, die ja nicht zufällig außerhalb der EU untergebracht wurden.“
– auf einem anderen Blatt Papier.
Fazit
Wem es darum geht, legal Musik aus dem Internet herunterzuladen, sollte meiner Ansicht nach die Finger von music.163.com lassen, allen anderen sind meine Ausführungen eh egal.